Erfahrungsbericht zum Kombinierten Verkehr am fünften Kontinent
Eine Urlaubsreise beinhaltet bei den meisten Leuten wohl eher keinen Besuch auf einem Intermodalterminal. Nicht weiter besonders ist das, wenn man beruflich seit 30 Jahren in der Branche tätig ist und ab und an einen anderen Blick auf seine Tätigkeit gewinnen möchte. Durch einen glücklichen Zufall und die Kontaktherstellung durch unser CombiNet-Mitglied Künz GmbH bestand die Möglichkeit, während eines einmonatigen Aufenthaltes in Australien ein Terminal im Westen der Metropole Sydney zu besichtigen und mit dem Betreiber dort Erfahrungen von beiden Seiten auszutauschen.
Aufgrund seiner Größe und damit potenziell langer Transportdistanzen ist Australien prädestiniert für den Schienengüterverkehr. Allerdings konzentriert sich die Bevölkerung im Wesentlichen auf die Küstenregionen im Osten und Südosten mit den Metropolen Sydney, Melbourne, Brisbane und auch Adelaide, in denen ca. 90 % der Bevölkerung – ca. 27 Mio. Menschen – leben. Die übrigen Landesteile sind dagegen dünn bis gar nicht besiedelt.
Dementsprechend ist das Bahnnetz eher gering und nur entlang von Hauptmagistralen gut ausgebaut. Dies sind in erster Linie die West-Ost-Verbindung Sydney – Adelaide – Perth, die Verbindung von Adelaide in Richtung Sydney und Brisbane sowie die Nord-Süd-Verbindung zwischen Adelaide und Darwin. Hinzu kommen speziell im Nordwesten einige Bahnverbindungen von den großen Minenbetrieben im Outback zu den Verladehäfen an der Nordküste. Diese Verbindungen sind zumeist als Normalspur, in einzelnen Fällen auch als 1000-mm-Schmalspur ausgeführt. Auch die Verbindung entlang der Ostküste von Brisbane in den tropischen Norden ist Schmalspur.
Der Anteil des Schienengüterverkehrs am gesamten Modalsplit liegt bei ca. 50 %. Allerdings entfallen mehr als zwei Drittel auf die großen Eisenerz- und Kohletransporte, bei denen bis zu 3.000 m lange und bis zu 40.000 Tonnen schwere Züge in Einzelfällen bereits vollautomatisiert befördert werden. Der Anteil des Intermodalverkehrs am Schienenmarkt liegt bei ca. 34 %.
Der Straßengüterverkehr dominiert insbesondere in den urbanen Regionen aufgrund der relativ kurzen Distanzen sowie auch im Outback, da dort die Erreichbarkeit per Schiene naturgemäß nicht gegeben ist. Standardfahrzeuge sind Lang-LKW mit zwei Trailern oder einem Tandem-Trailer mit Gesamtlängen von ca. 36 m. Die bekannten „road trains“ mit bis zu vier Trailern sind nur auf bestimmten Routen in den westlichen Landesteilen anzutreffen.
Der Intermodalmarkt teilt sich, wie in Europa, in einen Maritimteil und in den sogenannten Interstate Traffic. Der Maritimverkehr ist aufgrund der Wirtschaftsstruktur Australiens deutlich importlastig, was auch Auswirkungen auf die Zugsysteme hat. Im nationalen Verkehr dominiert die Ost-West-Achse aufgrund ihrer hohen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Straße. Die Nord-Süd-Verbindungen an der Ostküste sind durch die notwendige Umladung von Normal- auf Schmalspur nur begrenzt wettbewerbsfähig. Aber insgesamt ist auch in Australien der Intermodalverkehr als ein Wachstumsträger einzuschätzen.
Das Bahnnetzwerk mit einer Gesamtlänge von ca. 27.000 km ist weitgehend nicht elektrifiziert und wird von mehreren Infrastrukturbetreibern (öffentlich und privat, letztere sehr häufig integrierte Eisenbahnunternehmen) betrieben und es gilt grundsätzlich der Open Access mit vergleichbaren Zugangsbedingungen wie in Europa. Allerdings unterscheiden sich die Regelungen zum Teil in den einzelnen Bundesstaaten und Netzwerken, was die Interoperabilität teilweise einschränkt.
Auf dem Netz herrscht Wettbewerb von mehreren Eisenbahnverkehrsunternehmen, welche zumeist gleichzeitig Intermodaloperateure und sehr häufig zusätzlich Logistikanbieter sind. Diese sind entweder rein lokal auf dem eigenen Netz oder überregional am Netz Dritter aktiv.
Zuglängen in Australien betragen, abgesehen von den Mining-Zügen in der Regel 1.800 m. Ein Teil des Netzwerkes – im Wesentlichen der Ost-West-Korridor – können auch mit Double-Stack-Zügen befahren werden. Züge werden in den Terminals zumeist in zwei 900-m-Teile zerlegt. Zuggewichte variieren je nach Strecke (sehr häufig durch größere Steigungen begrenzt) und der Anzahl der Lokomotiven. Neben den Double-Stack-Wagen amerikanischer Bauart werden zumeist Flachwagen (sog. „skeletal wagons“), wie sie auch in England anzutreffen sind, eingesetzt.
Neben den Maritimcontainern im Import/Export werden im Interstate-Verkehr Wechselbrücken mit Längen zwischen 20 und 48 ft und 2,50 m Breite sowie diverse Tank- und Bulk-Container eingesetzt. Daneben finden sich sehr interessante Container speziell für schwereres Schüttgut, Getreide und auch Abfalltransporte. Die Ladeeinheiten sind teilweise nicht stapelbar und müssen, wie in Europa, mit Greifkanten umgeschlagen, werden. Kranbare Trailer sind nicht existent.
Das Land verfügt über ein vergleichsweise dichtes Netzwerk an Intermodalterminals. Diese sind entweder an große Industriebetriebe (als Anschlussbahn) angegliedert oder werden von den Eisenbahnunternehmen bzw. Logistikern betrieben. Die Anlagen haben zumeist entweder den Fokus auf Import/Export-Verkehre (Maritim), die den großen Seehäfen nachgelagert sind, oder auf Interstate-Verkehre. Eine Kombination beider Ausrichtungen ist eher selten. Die Terminals sind in der Regel nicht für jeden frei zugänglich.
Seitens der öffentlichen Hand besteht, wie in Europa, die politische Zielsetzung, den Anteil im Modal Split zugunsten der Schiene zu heben. Ein Ansatz besteht darin, auf den Hauptmagistralen ein Netzwerk von öffentlich zugänglichen Intermodalterminals zu errichten, die vom Betreiber neutral allen Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Im Umfeld des Terminals werden großzügige Logistikansiedlungen als Teil des Terminals durchgeführt, um einen umfassenden Service an logistischen Leistungen anbieten zu können. Für die Entwicklung wurde dazu eine eigene staatseigene Gesellschaft – National Intermodal – gegründet. In einem ersten Schritt soll das Netzwerk aus Standorten in Sydney, Melbourne und Brisbane bestehen, weitere Standorte sind in Planung. Der Ansatz ähnelt dabei jenem bei unseren CombiNet-Mitgliedern Cargo Center Graz Betriebsgesellschaft m.b.H. & Co KG (CCG) bzw. Steiermärkische Landesbahnen (STLB) in Graz.
Während sich die Standorte in Melbourne und in Brisbane noch in der Planungsphase befinden, ist der Standort Moorebank im Westen von Sydney bereits seit einiger Zeit in Betrieb. Die Anlage besteht eigentlich aus zwei Terminalmodulen. Das IMEX-Terminal, das seit 2019 in Betrieb ist, verfügt über vier etwa 900 m lange Ladegleise und zwei Lagermodule mit insgesamt neun Portalkränen. Hier werden die Seehafenhinterlandverkehre aus dem Hafen Sydney abgewickelt. Dabei wird eine spezielle Krankonstellation mit eigenen Kränen für die Lagerung und für die Gleise angewendet, die es ermöglicht, Umschlagvorgänge im Lager von jenen auf der Schiene zu trennen. Die Kräne wurden von unserem CombiNet-Mitglied Kalmar Austria GmbH geliefert.
Das zweite Modul – das sogenannte Interstate Terminal, welches heuer eröffnet wurde – verfügt über drei Ladegleise mit je 900 m Länge und wird mittels Reach Stacker bedient. Eine Umstellung auf Kranbetrieb sowie eine Erweiterung auf vier Gleise ist vorgesehen. Eine derzeit noch vorhandene Straße trennt die beiden Module, deren Verlegung wird aber aktuell realisiert, sodass ein durchgängiger Betrieb möglich wird. Beide Standorte sind mit einem leistungsfähigen Terminal Management System ausgerüstet, die Kräne werden teilautomatisiert mittels Fernsteuerständen bedient und sind somit State of the Art.
Insgesamt verfügt die gesamte Anlage über eine Umschlagkapazität von ca. 1,50 Mio. TEU. Am Terminal stehen in Summe ca. 850.000 m² an Logistikhallen zur Verfügung; ein weiterer Ausbau dieser Flächen ist vorgesehen.
Insgesamt war der Besuch höchst interessant und es konnten viele Gemeinsamkeiten – sowohl von der Markt- und Kundenseite als auch operativ – festgestellt werden. Mit dem Betreiber National Intermodal ist jedenfalls ein weiterer Informationsaustausch vereinbart.
Neben diesem „fachlichen“ Highlight stand natürlich die landschaftliche Schönheit und Faszination dieses so vielfältigen Kontinents im Mittelpunkt unseres Interesses. Ich kann einen Trip nach „Down Under“ mit seinem sprichwörtlichen „easy going“ nur jedem empfehlen – ohne, aber natürlich auch mit Terminalbesuch.